Gränzbote 3. April 2017
Tuttlingen sib Lebhaft diskutiert worden ist in einer offenen Gesprächsrunde, zu der der Rittergartenverein in „Stiefels Buchladen“ eingeladen hatte. Die Entwicklungen der türkisch-deutschen Beziehungen im Zusammenhang mit dem Verfassungsreferendum waren das aktuelle Thema des Abends.
Christine Treublut, Vorsitzende des Rittergartenvereins, begrüßte die interessierten Diskussionsteilnehmer. Christof Manz betonte, dass der Rittergartenverein seit mehr als 30 Jahren bei vielen Veranstaltungen die gesellschaftliche Entwicklungen in der Stadt begleite. Dies sei Teil einer aktiven, unabhängigen Zivilgesellschaft. Man freue sich über das gute Verhältnis zu vielen türkischstämmigen Mitbewohnern und mache keinen Unterschied, ob sie Türken, Kurden, Aleviten, Sunniten oder Jesiden seien. Die Souveränität der Türkei und ihrer gewählten Repräsentanten sei unbestritten. Doch bei der Abstimmung zu einem Präsidialsystem sei man hellhörig geworden. Auch in Tuttlingen, wo bisher immer eine moderate Zusammenarbeit möglich war, sei eine Unruhe zwischen den Befürwortern und Ablehnern eines Präsidialsystems zu beobachten, es herrsche eine gewisse Unsicherheit. Sieben Verbände seien zu der offenen Gesprächsrunde eingeladen worden, doch keiner ihrer Vertreter war anwesend, einige hatten sich entschuldigt.
Eine Tuttlingerin – mit deutscher Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund – meinte zu Beginn, die Medien heizten die Gemüter auf, sie sähen nur Erdogan und die AKP und nicht, was das Referendum zum Präsidialsystem beinhalte. „Wir werden nicht mehr als Bürger wahrgenommen und werden gegeneinander ausgespielt, Erdogan hat das ausgenützt“, meinte sie. Erdogan setze auf das „Wir-Gefühl“, will damit Selbstbewusstsein geben. Durch die versäumte Integrationspolitik habe Erdogan viele Stimmen bekommen. Doch dem wurde aus der Runde – fast nur deutsche Diskussionsteilnehmer – widersprochen: Der Dialog sei möglich. Man müsse auch die Sorgen der Deutschen berücksichtigen, eine Unsicherheit bestehe, meinte Manz, der zusammen mit Treublut die Moderation übernommen hatte. Und vor allem das Grundgesetz müsse geachtet werden. Mit der Einführung des Präsidialsystems werde sich die Türkei verändern, meinte ein anderer. Doch dies sei noch nicht durch, meinte die Tuttlingerin mit Migrationshintergrund. „Die Türken, die hier leben, denken doch auch mit.“ Man solle über das System diskutieren und nicht über Erdogan.
Ein anderer Teilnehmer sprach von seiner Angst, dass es in Europa zu einer Entdemokratisierung kommen könne. Es wurde auch lebhaft diskutiert über die Integration. Dazu herrschte die überwiegende Meinung vor, dass diese bei den meisten nicht gelungen sei. Doch ein Lehrer in der Runde meinte dazu: „Ich glaube, dass dies bei meinen Schülern keine Rolle spielt.“ Abschließend sagte Manz: „Wir lassen nicht locker und bleiben unverdrossen am Thema dran. Nach der Abstimmung werden wir erneut einladen.“
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